Was macht das mit Berlin?

Geschichten zum Thema Verdrängung in Berlin Pankow und Prenzlauer Berg

 

Von Antje, aufgewachsen in Berlin-Lichtenberg

Mein Name ist Antje und ich wohne seit 2012 in meiner Wohnung im Teutekiez.
Schon als Jugendliche war ich hier viel unterwegs. Eingezogen bin ich, als mein Sohn noch ein Baby war. 

 

 

Befristete Mietverträge

 

Mein Eigentümer besitzt verschiedene Häuser im Prenzlauer Berg. Ich kenne ihn auch persönlich, weil er eine Wohnung im Hinterhaus hat und sich ab und zu dort aufhält. Er ist Jurist und hat Ahnung von dem, was er tut. Er war so schlau, die Mietverträge im Haus bis 2025 zu befristen. Das ist das Jahr, in dem bei uns im Haus die Sozialbindung ausläuft. Als ich einzog, war mir der Zusammenhang nicht klar. Ich wusste nur, wir müssen irgendwann ausziehen. Ich dachte, ich finde schon eine Wohnung für uns. Das war vor zwölf Jahren.

 

Jetzt rückt 2025 näher und eine Wohnung im Prenzlauer Berg kostet inzwischen das Doppelte von dem, was ich gerade bezahle. Das kann ich mir als Alleinerziehende mit einem normalen Gehalt nicht leisten. Wenn sich bis nächstes Jahr keine andere Lösung finden lässt, werden wir wegziehen müssen. Ich finde es bitter, dass wir so verdrängt werden aus dem Kiez. Die soziale Struktur hat sich auch schon verändert. Das merkte ich zum Beispiel besonders in der früheren Grundschule meines Sohnes. Leistung war wichtiger als das soziale Zusammensein, die Geburtstage wurden immer teurer und ausgefallener, die Kinder bewerteten sich nach Marken. Technische Geräte wie Handys, Tablets und Spielekonsolen gehörten zum Standard. Ich hatte das Gefühl, dass das Einkommen und der soziale Status wichtig waren. Das ist nicht mehr der Prenzlauer Berg, den ich kannte, in dem ich mich mal wohl gefühlt hatte. Ich fühle mich auch innerlich verdrängt. Also nicht nur äußerlich aus meiner Wohnung, sondern auch als Person.

 

Gemeinsam stark gegen solche Vermieter

 

Jetzt sind es noch anderthalb Jahre bis zum Auslaufen der Mietverträge, und das macht sich natürlich im Haus bemerkbar. Es ist eine Unsicherheit zu spüren und leichte Panik, auch Verzweiflung. Ich glaube, einige überlegen schon, wo sie später wohnen könnten. Ich bin auch bei zwei Wohnungsbaugenossenschaften angemeldet und schaue mich ein bisschen um. Das ist schade, weil wir uns eigentlich gemeinsam gegen solche Vermieter stark machen sollten. Ich habe aber auch das Gefühl, dass durch das nahende Ende der Befristung unsere Hausgemeinschaft gewachsen ist, dass wir viel mehr in Kontakt stehen, uns über das Thema der auslaufenden Mietverträge und, was das mit uns macht, austauschen und auch generell ein bisschen mehr zusammengeschweißt sind, dass wir gemeinsam mehr Kraft haben.

 

Was uns auch hilft ist die Initiative Pankow gegen Verdrängung, die ich bei einer Mieterversammlung kennengelernt habe. Ich finde es total schön, dass es diese Vereinigung gibt, weil ich so gemerkt habe, dass es vielen anderen Menschen, die hier im Prenzlauer Berg und in Pankow zur Miete wohnen, ähnlich geht. Vielen ist es gar nicht bewusst, welche gravierenden Konsequenzen das Auslaufen der Sozialbindungen hat, bis es dann wirklich passiert. Dass die Mieten plötzlich stark steigen oder sie wegen Eigenbedarf gekündigt werden können. Seitdem bin ich bei Pankow gegen Verdrängung aktiv. Ich habe auch schon bei einer Mieterversammlung selbst gesprochen und für die Initiative eine Einwohneranfrage bei der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gestellt. Beim Hearing im Berliner Abgeordnetenhaus haben ich und andere Betroffene die Situation vor dem Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christan Gaebler, geschildert.

 

Nicht nur der Prenzlauer Berg

 

Ich wünsche mir von der Politik, dass sie uns zuhört und unsere Situation versteht. Ich wünsche mir gesetzliche Regelungen zum Beispiel zu den Eigenbedarfskündigungen, die die Leute, die in den Wohnungen leben und die gar nicht mehr wissen, wohin in Berlin, mitdenken und schützen. Ich wünsche mir, dass sie mit uns zusammen, mit den Betroffenen, eine Lösung finden. Es betrifft ja nicht nur den Prenzlauer Berg, es betrifft ganz, ganz viele andere Mieterinnen in Berlin, bei denen die Sozialbindung ausläuft oder die wegen Eigenbedarf gekündigt werden und wo die Leute einfach nicht wissen, wohin.

 

Es gibt nur noch wenige, die im Prenzlauer Berg mit einem durchschnittlichen Gehalt leben können. Die meisten davon leben in Häusern, in denen die Sozialbindung ausläuft. Was passiert, wenn alle weg und verdrängt sind? Was macht das mit dem Bezirk? Was macht das mit Berlin?

 

März 2024

 

Die Geschichte ‚Was macht das mit Berlin?‘ von Antje wurde aufgeschrieben von der Gruppe ‚Geschichten sammeln‘ von Pankow gegen Verdrängung.

Ist euer Haus auch von dem Auslaufen der Sozialbindung, schleichender Entmietung und enormen Mietsteigerungen betroffen? 
Dann meldet euch bei uns. Gemeinsam sind wir stark. Die Initiative "Pankow gegen Verdrängung" (PgV) setzt sich für den Erhalt der innerstädtischen Kieze als Wohnraum für Menschen und deren Familien, als Orte des sozialen Miteinanders ein.

Folgt uns auf Instagram, TikTok & Twitter/X! Ihr könnt euch auch unserem Telegram-Kanal anschließen oder uns per E-Mail erreichen.

Logo

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.