Unser Haus

Geschichten zum Thema Verdrängung in Berlin Pankow und Prenzlauer Berg

 

Von Hannah, seit 2015 im Prenzlauer Berg

Als wir hier 2015 einzogen sind, war die Hausgemeinschaft noch intakt. Es gab Nachbar:innen, die sich regelmäßig trafen, die Kinder kannten sich, der Hof war schön gemacht. Ich war froh, in solch ein pulsierendes Haus zu kommen, mit Nachbarn:innen, die auch tatsächlich eine soziale Funktion als Nachbarn ausstrahlen.

 

 

Viele von uns bekamen Angst

 

Das Haus, unser Haus, ein helles, frisch saniertes Eckgebäude aus der Gründerzeit in einer kleinen Seitenstraße zwischen Schönhauser Allee und Pappelallee. An den Wohnungstüren Fotos, Basteleien von Kindern. Im Hof eine alte Kastanie und ein kleiner Garten, von der Hausgemeinschaft gepflegt. Hier wohnten Familien, es gab Nachbar:innen, die sich regelmäßig trafen, die Kinder kannten sich, ich erinnere mich noch, wie sie immer wie wild durch die drei Hauseingänge gerannt sind, die Erwachsenen haben ihnen dabei zugeschaut, bei ihren geheimen Spielen, wir haben gemeinsam gekocht, den Kindern gezeigt, wie man Fahrräder repariert, mit ihnen Hausaufgaben geübt und manchmal im Sommer draußen im Hof Gitarre gespielt.

 

Dann ist 2018 die Sozialbindung für das Haus ausgelaufen. Direkt darauf wurden sogenannte Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Viele von uns bekamen Angst. Die ersten begannen aus Sorge, die hohen Mieten nicht zahlen zu können, sich neue Wohnungen zu suchen. Weit weg aus ihrem Kiez, dort wo Wohnen in Berlin noch bezahlbar war. Wir Mieter:innen, die geblieben sind, haben versucht dieses Konstrukt aus Ankündigungen, die von da an regelmäßig eintrudelten, zu verstehen. Es gab neue Eigentümer. Dabei gehörte das Haus doch uns. Wir waren die Besitzer:innen der Wohnungen. Wir kümmerten uns um das Haus, füllten es mit Leben. Und plötzlich diese fremden Eigentümer, die Ankündigungen. Das hat uns sehr verunsichert.

 

Gemeinsam gegen neuen Eigentümer

 

Wir haben dann versucht, uns zu wehren. In der Zeit, wo die Modernisierungsankündigungen rein flatterten, ist ein Mailverteiler unter den Mieter:innen entstanden, wir haben uns mit Anwälten getroffen und überlegt, wie wir gegen die Modernisierung vorgehen können. Können wir überhaupt gegen die Modernisierungen vorgehen? Schnell war klar, und der Rat aus allen Gruppen, die sich mit dem Thema Mieten und Wohnen beschäftigen, schließt euch zusammen, schreibt immer das Gleiche, sprecht euch ab, seid euch einig, so gut es eben geht, wenn es Differenzen gibt, ist es auch in Ordnung, aber versucht einen gemeinsamen Nenner zu finden und versucht diesen deutlich nach außen an den Eigentümer zu signalisieren. Und das taten wir auch. Wir haben ein gemeinsames Schreiben an die Eigentümer verfasst, dass wir die Modernisierungsmaßnahmen ablehnen. Daraufhin wurde dann gegen jeden von uns einzeln ein gerichtliches Klageverfahren mit der Begründung des Rechts auf Modernisierung durch den Eigentümer eröffnet. Das ging dann eine ganze Weile. Die Verfahren verzögerten sich. Verhandlungstermine wurde verschoben. Die Verhandlung, die ich dann hatte, war fast lächerlich. Die Richterin wies den Eigentümer darauf hin, dass die für das Verfahren zugrundeliegenden Unterlagen nicht vollständig waren, es fehlten sogar die Unterschriften des Eigentümer, und die Klage wurde abgelehnt. Damit schien erst mal eine gewisse Ruhe einzukehren. Aber man spürte, dass es immer weiter ging mit der Entmietung. Diejenigen, die Untermietverträge hatten, haben diese nicht verlängert bekommen. Es gab permanent das Gefühl, hier nicht mehr willkommen zu sein. Die drohenden Mieterhöhungen, die Vorstellung, dass es hier bald für lange Zeit eine Baustelle geben würde, hat dann weitere Mieter bewogen, die Hausgemeinschaft und das Haus zu verlassen.

 

Wir bleiben stabil

 

Man hat auch an dem Haus selber gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war. Es wurde nicht mehr gepflegt, Reparaturen zum Beispiel bei Wasserschäden oder die defekte Lichtanlage wurden nicht mehr oder sehr verzögert ausgeführt. Im Winter hatten wir einen längeren Ausfall der Heizanlage. Vier Wochen ohne Heizung und warmes Wasser. Der Müll wurde nur noch unregelmäßig abgeholt. Das war besonders katastrophal, weil unten im Haus ein Restaurant ist, deren Mitarbeiter:innen, den Müll weiterhin im Hof entsorgt haben. Unser Hof, unser kleiner Garten war dann über Wochen voller Mülltüten, die offen neben den Mülltonnen herumlagen, alles verwahrloste hier zusehends, alles war voller Müll und Dreck. Kinder spielen hier schon lange nicht mehr, stattdessen erobern Ratten das Revier.

 

Zu den Menschen, die ausgezogen sind, besteht heute kaum noch Kontakt. Das Haus selbst fühlt sich leer an. Von den vorhandenen 32 Wohnungen sind nur 8 (regulär) vermietet. Die Gebliebenen versuchen irgendwie mit dieser Situation klarzukommen. Jetzt haben wir einen Aufschwung durch Pankow gegen Verdrängung erfahren. Das ist ein schönes Gefühl, auch wenn wir nur noch wenige sind. Wir schmücken unser Haus und zeigen, wir lassen uns nicht so einfach verdrängen und bleiben hier stabil.

 

Was ist denn mit den anderen Wohnungen passiert?

 

Die anderen Wohnungen sind der Verwertungsspirale von privatem Wohneigentum sehr zuträglich, da sie für ungefähr für 40 bis inzwischen für 60 Euro pro Quadratmeter möbliert vermietet werden. Das muss man sich mal überlegen, für eine 65 qm Wohnung, wie sie für den Prenzlauer Berg üblich ist, werden knapp 4.000 Euro Miete verlangt. Da ziehen Menschen ein, die Kurzzeitverträge bekommen, weil das oftmals das Einzige ist, was es noch gibt. Da leben dann teilweise vier bis fünf Personen in einem 20 Quadratmeter-Zimmer, weil sie alleine die hohen Kosten nicht stemmen können. Dann gibt die mit den hochbezahlten Jobs, die nur für drei Monate in Berlin bleiben. Das sind in meinen Augen so Arbeitszombies, die überhaupt keinen echten Bezug mehr zum Prenzlauer Berg und den Menschen, die hier leben, haben. Denen ist es völlig egal, wie es uns geht, wenn wir ihnen im Hausflur begegnen. Es gibt keinen Kontakt. Einige Wohnungen werden auch per AirBnB vermietet. Das ist ein Kommen und Gehen. Vor allem an den Wochenenden. Und dann steht für die nächsten Tage wieder alles leer.

 

Februar 2024

 

Die Geschichte ‚Unser Haus‘ von Hannah wurde aufgeschrieben von der Gruppe ‚Geschichten sammeln‘ von Pankow gegen Verdrängung.

Ist euer Haus auch von dem Auslaufen der Sozialbindung, schleichender Entmietung und enormen Mietsteigerungen betroffen? 
Dann meldet euch bei uns. Gemeinsam sind wir stark. Die Initiative "Pankow gegen Verdrängung" (PgV) setzt sich für den Erhalt der innerstädtischen Kieze als Wohnraum für Menschen und deren Familien, als Orte des sozialen Miteinanders ein.

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